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Neben dem mechanischen Recycling rückt im Fall von herausfordernden Kunststoffströmen das chemische Recycling immer weiter in den Fokus. Dieser Artikel bietet einen Überblick über unterschiedliche Recyclingverfahren – und die Herausforderungen, die sich gerade im Bereich der Lebensmittelverpackungen durch Regulierungen oder die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens ergeben.

Wie schaffen wir es, deutlich mehr Verpackungsabfälle zu recyceln und wie kann der Wandel zu einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe gelingen? Papier, Glas oder auch Aluminium haben ihren Ruf als kreislauffähige Materialien gefestigt. Bei Kunststoffen hinkt man da noch einige Schritte hinterher, weil der Fokus seit Entwicklung dieses in seiner Vielfalt einzigartigen Werkstoffs jahrzehntelang darauf lag, wo man ihn nutzbringend einsetzen kann. Design for Recycling oder was damit geschieht, wenn ein Kunststoffprodukt seinen Zweck erfüllt hat und zu Abfall geworden ist, spielte kaum eine Rolle. Erst in den vergangenen Jahren hat das Bemühen um Kreislaufwirtschaft an Fahrt aufgenommen. Nur wenn Kreislaufwirtschaft realisiert wird, kann Kunststoff all seine Vorteile voll ausspielen. Denn diese sind nicht nur in der Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten oder im Preis-/Leistungsverhältnis zu finden.

Mittlerweile ist sich die gesamte Branche dessen bewusst und bündelt ihr Know-how und ihr Engagement, um eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage zu finden. Dabei geht es um die Schonung natürlicher Ressourcen, die Reduktion von Abfällen, die vielerorts Landstriche und Gewässer belasten, und schließlich liegt darin auch einer der Schlüssel für die Reduktion von Treibhausgasemissionen und damit für den Kampf gegen den Klimawandel verborgen. Viele Nachrichten aus der Kunststoffbranche verweisen auf erfolgversprechende Pilotprojekte auf Basis verbesserter Sortier- und Recyclingverfahren, Produktneuheiten aus recyceltem oder biobasiertem Kunststoff oder recyclingfähige Verpackungslösungen.

Klaus Lederer

Klaus Lederer
Technology Research Manager

Chemical Recycling, EREMA Group

„Neben der technologischen Weiterentwicklung des chemischen Recyclings ist es für die Kunststoffbranche essenziell, das Vertrauen der Konsumenten zu gewinnen und zu stärken.“

Klaus Lederer

Chemisches Recycling als potenzielle Lösung für „schwierige Fälle“?

Immer stärker in den Fokus rückte dabei zuletzt das chemische Recycling als potenzielle Lösung für viele besonders herausfordernde Kunststoffströme, vor allem für Lebensmittelverpackungen. Im Falle von PET ist mechanisches Recycling auch dank der Vacurema-Technologie von Erema schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich etabliert. PET-Flaschen und Trays aus bis zu 100 % rPET erfüllen die höchsten Qualitätsstandards und sind mittlerweile immer häufiger die Regel als die Ausnahme. Anders ist die Situation bei mechanisch recycelten Nicht-PET-Materialien. Ihre Verwendung in Lebensmittelverpackungen wird durch die geltenden EFSA (European Food Safety Authority)-Bewertungskriterien stark eingeschränkt. PCR-Kunststoffen (außer PET), produziert aus Lebensmittelverpackungsabfällen, ist dadurch in Europa selbst bei getrennter sortenreiner Verarbeitung nur in wenigen Fällen der Weg zurück in Lebensmittelverpackungen möglich. Mechanische Recyclinglösungen mit FDA (Food and Drug Administration)-Zulassung für definierte Inputströme gibt es – auch aus dem Hause Erema – etwa für PE-HD-Getränkebehälter und für PE-HD-Verschlüsse von PE-HD-, PP- und PET-Flaschen. Das daraus produzierte Rezyklat kann in Anteilen von bis zu 100 % für Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden.

In der EU, wo die Recyclingziele besonders ambitioniert sind, ist eine abschließende EFSA-Bewertung für das Recycling von PE-HD-Lebensmittekontaktmaterialien aber bis heute ausständig. Auch deshalb rückt chemisches Recycling mehr und mehr ins Blickfeld. Und tatsächlich erblickt das interessierte Konsumentenauge immer häufiger Verpackungen mit Kennzeichnungen wie „hergestellt aus xy Prozent zertifiziertem zirkulärem Polymer aus Post-Consumer-Kunststoff“ oder „verwendet recycelten Kunststoff“ in den Supermarktregalen. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Produkt, das der Konsument beim Lesen dieser Worte gerade in Händen hält, tatsächlich recycelten Kunststoff enthält. Wie kann das sein?

Auch chemisches Recycling benötigt vorbehandelten Eingangsstrom

Mechanische Recyclingprozesse verlangen nach einer getrennten Aufbereitung der jeweiligen Kunststoffart, wenn das Regranulat wieder in Materialien mit Lebensmitteldirektkontakt eingesetzt werden soll. PET-Flaschen, PE-LD-Folien, PE-HD- und PP-Hohlkörper beispielsweise werden getrennt gesammelt oder aussortiert und zu recyceltem Granulat verarbeitet, aus dem wiederum Flaschen, Folien, oder Hohlkörper mit Rezyklatanteilen bis zu 100 % produziert werden. Bei PET-Flaschen ist dieser Kreislauf nachvollziehbar und transparent. Die Kennzeichnung der Flasche gibt Auskunft über den tatsächlich enthaltenen Anteil an recyceltem Kunststoff.

Chemische Recyclingtechnologien wie etwa pyrolytische Verfahren erlauben es bis zu einem gewissen Grad, gemischte Kunststoffabfälle – insbesondere Polyolefine (PO) – durch Einbringung von thermischer Energie und gegebenenfalls Katalysatoren in ihre chemischen Bestandteile (Kohlenwasserstoffe) aufzutrennen. So wird Pyrolyseöl gewonnen, das als synthetisches Rohöl betrachtet werden kann und sich aus verschiedenen Fraktionen (u.a. Naphtha) zusammensetzt. Aus diesen werden, nach entsprechender Vorbehandlung in der Raffinerie, durch Steamcracken und Polymerisation unter anderem auch wieder Kunststoffe – meist Polyolefine – hergestellt. Je nach Zusammensetzung und Kettenlänge können die restlichen Anteile als Chemikalien für neue Produkte oder auch als Treibstoffe genutzt werden. In welchem Ausmaß und in welcher Qualität für die Kunststoffproduktion verwertbares zirkuläres Naphtha aus dem jeweiligen Kunststoffabfallstrom gewonnen werden kann, hängt wiederum von dessen Reinheit sowie vom angewendeten Aufbereitungsprozess ab. Denn entscheidend ist auch bei diesen Verfahren, dass Fremdbestandteile wie PVC, PET und PA nicht oder nur in geringen Anteilen im PO Inputstrom vorhanden sind.

Transparente Kennzeichnung, aber wie?

Die Errichtung eigener, nach Stoffströmen getrennter Prozessketten für das chemische Recycling von Kunststoff zu Kunststoff würde nach Investitionen verlangen, die wohl auch in Zukunft weder wirtschaftlich noch ökologisch zu rechtfertigen sind. Daher werden chemisch recycelte Rohstoffe in bereits bestehender petrochemischer Infrastruktur (Raffinerie, Steamcracker, Polymerisationsanlagen) gemeinsam mit rohölbasierten Rohstoffen verarbeitet. Zwischen originären fossilen und recycelten Chemikalien und Materialien kann danach nicht mehr unterschieden werden. Deshalb braucht es eine rechnerische Lösung, um die Menge der durch chemisches Recycling gewonnenen recycelten Rohstoffe den Endprodukten zuzuordnen wie zum Beispiel neuen Lebensmittelverpackungen, die als Recyclingware vermarktbar sind. Hier kommt der Massebilanzansatz zur Anwendung, der in ähnlicher Weise bereits beim Handel mit Ökostrom etabliert ist. Bildlich gesprochen: So wie Ökostrom und Strom aus Kohle- oder Atomkraftwerken in unterschiedlicher Mengenzusammensetzung durch dieselbe Leitung fließen und in der Steckdose des Verbrauchers ankommen, werden originäre fossile und recycelte Moleküle in denselben Anlagen zu Produkten verarbeitet, aber basierend auf dem Massebilanzansatz separat vermarktet. Auch hier kann die Mengenverteilung stark variieren. So wäre es möglich, dass der Konsument eine Verpackung in Händen hält, die trotz anderslautender Kennzeichnung – als Referenz dafür hat sich mittlerweile die ISCC-Plus-Zertifizierung der gesamten Prozesskette etabliert – tatsächlich 0 % recycelten Kunststoff enthält. Das mag zunächst befremdlich klingen, macht aber durchaus Sinn. Denn auf diese Weise können bestehende Infrastrukturen ressourcenschonend genutzt werden, um chemisches Recycling, dessen Industrialisierung noch am Anfang steht, weiterzuentwickeln.

Wie die Materialaufbereitung die Recycling-Prozesskette unterstützt

Erema hat in den vergangenen Jahrzehnten die Entwicklung des mechanischen Recyclings geprägt und mit Innovationen vorangetrieben. Mit der Erfahrung der Erema Group Tochter Keycycle sowohl über die Integration von Recyclinglösungen in bestehende Gesamt‧anlagen als auch über die der Extrusion vorgelagerten Materialaufbereitung wird der technologische Fortschritt beim chemischen Recycling unterstützt. Vielfach stehen mechanische Verfahren nämlich am Beginn der Prozesskette für das chemische Recycling, um Post-Consumer-Eingangsströme aufzubereiten und, als Beitrag zu einer entsprechenden Output-Qualität, eine verlässliche, kontinuierliche und energieeffiziente Materialzuführung in den chemischen Recyclingprozess zu gewährleisten. Dafür werden weltweit in bestehenden Anlagen auch jetzt schon für die jeweilige Anforderung adaptierte Einschnecken-Aufschmelzsysteme mit Preconditioning Unit (PCU) von Erema eingesetzt, weil sich deren technologische Vorteile auch hier bewähren (siehe Infokasten).

Mit dem Beitritt zur Vereinigung Chemical Recycling Europe möchte Erema das Verständnis für die Bedürfnisse der Anlagenbetreiber schärfen und Kooperationen und Innovationen vorantreiben. Um den eingangs erwähnten Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu schaffen, müssen die technischen Möglichkeiten des mechanischen Recyclings durch Design für Recycling, durch den Ausbau der entsprechenden Sammel-, Sortier- und Recyclinginfrastruktur sowie durch die Weiterentwicklung der Technologien und Endanwendungen zu 100 % ausgeschöpft werden. Für Materialströme, bei denen dieser Verwertungsweg an seine Grenzen stößt, gilt es, zusätzliche Verfahren zu etablieren und zu nutzen. Als zusätzliche Ebene in der Recyclingpyramide zwischen mechanischem Werkstoffrecycling und Verbrennung mit Energierückgewinnung kann chemisches Rohstoffrecycling langfristig eine sinnvolle Ergänzung werden, um insgesamt ein Maximum an Rohstoffen im Kreislauf zu halten.

Neben der nötigen technologischen Weiterentwicklung des chemischen Recyclings und der Realisierung erster industrieller Anlagen ist es für die Kunststoffbranche insgesamt essenziell, das Vertrauen der Konsumenten zu gewinnen und zu stärken. Kunststoff ist nicht nur der vielseitigste, sondern, bei objektiver Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, in vielen Anwendungsbereichen auch umweltfreundlichste Werkstoff. Transparente Kommunikation über den gesamten Recyclingprozess, Zertifizierungen und Produktkennzeichnungen ist unverzichtbar, damit der Kreislauf geschlossen und das Potenzial von Kunststoff als Teil der Lösung für den Umwelt- und Klimaschutz gesellschaftlich anerkannt wird und voll ausgeschöpft werden kann.

© Carl Hanser Verlag, München, Kunststoffe 1/2022

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